Wolhynien und die Wolhyniendeutschen

Wolhynien (auch: Wolyn, Volyn) ist eine historische Landschaft in der nordwestlichen Ukraine. Die heutige ukrainische Verwaltungseinheit Oblast Wolyn umfasst jedoch nur einen Teil des historischen Wolhyniens. Seinen Namen soll das Gebiet von der legendären, längst untergegangenen Stadt Wolin erhalten haben, die einst westlich des Bugs bei Wladimir-Wolynsk lag und der Hauptsitz des slawischen Stammes der Wolhynier war.

Vom 10. bis 13. Jahrhundert gehörte das Fürstentum Wolhynien zum ersten ostslawischen Staat der Kiewer Rus. Durch den Zusammenschluss der Fürstentümer Galizien und Wolhynien entstand Ende des 12. Jahrhunderts das Fürstentum Galizien-Wolhynien. Im Jahre 1323 starb die herrschende Rurikiden-Dynastie des Fürstentums Galizien-Wolhynien in männlicher Linie aus und das Gebiet wurde zum Streitobjekt zwischen den aufstrebenden osteuropäischen Großmächten Polen und Litauen. Nach längeren Kriegen mit wechselseitigen Gewinnen und Verlusten fiel der größere Teil des Fürstentums mit Galizien sowie dem westlichen Wolhynien an das Königreich Polen, während das östliche Wolhynien dem Großfürstentum Litauen einverleibt wurden.

Wolhynien (gelb) innerhalb der heutigen Ukraine (CC BY-SA 3.0)

Durch die Union von Lublin zwischen Polen und Litauen 1569 wurde das gesamte Gebiet des ehemaligen Fürstentums Galizien-Wolhynien mit der „Krone Polens“ verbunden, es war jedoch in den ursprünglichen Grenzen als politische Einheit nicht mehr existent. Das Gebiet wurde verwaltungstechnisch in fünf Wojewodschaften eingeteilt, die bis zu den Teilungen Polens in den Jahren 1772 bis 1795 zu Polen-Litauen gehörten.

1793 wurde Wolhynien im Zuge der Teilungen Polen-Litauens in Ost und West geteilt. Der Osten fiel 1793 mit der zweiten Teilung Polens an Russland, der Westen Wolhyniens kam nach der dritten Teilung Polens 1795 ebenfalls zu Russland.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Wolhynien zwischen Polen und Sowjetrussland aufgeteilt. Der Friede von Riga besiegelte 1921 die Spaltung Wolhyniens: Der Osten blieb ein Teil (Sowjet-) Russlands während der Westen – 1795 von Russland annektiert – wieder an Polen zurückgegeben wurde.

Die wechselhafte Geschichte Wolhyniens beeinflusste letztendlich auch das Schicksal der deutschen Kolonisten, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts in das Gebiet Wolhyniens einwanderten. Die Einwanderung vollzog sich im Wesentlichen in drei Phasen. Zunächst waren es mennonitische Bauern, die sich um 1800 in Wolhynien ansiedelten. Sie kamen überwiegend aus Preußen, wo man ihre Privilegien angetastet und sie zum Waffendienst gezwungen hatte. Ebenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es eine verstärkte Einwanderung aus Schlesien und Pommern.

Die nächste größere und andauernde Einwanderungswelle von Deutschen nach Wolhynien gab es nach 1831, dem Jahr des sogenannten ersten polnischen Aufstandes. Die größte Einwanderungswelle erfolgte erst in den 1860er-Jahren. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 lebten in Wolhynien rund 250.000 Deutsche in mehr als 300 deutschen Kolonien. Während des Krieges wurde ein Teil der Wolhyniendeutschen nach Deutschland zwangsausgesiedelt oder nach Sibirien deportiert, weil sie verdächtigt wurden, deutsche Spione zu sein. 1918 durften die Bewohner zurückkehren. Bis 1924 kehrten etwa 120.000 Bewohner nach Wolhynien zurück.

Als Folge der Aufteilung Polens im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes wurde Wolhynien ab September 1939 sowjetisches Staatsgebiet. Die deutsche Bevölkerung im ehemaligen polnischen Teil wurde noch 1939 zum Großteil in den „Reichsgau Wartheland“ umgesiedelt.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fiel das gesamte Gebiet Wolhyniens an die Sowjetunion, die überlebenden Wolhyniendeutschen wurden vertrieben.

Seit 1992 gehört Wolhynien zum größten Teil zur Ukraine und zu einem kleineren Teil zu Belarus.

Seit 1993 gibt es im mecklenburgischen Linstow das Wolhynier Umsiedler-Museum. Alljährlich findet dort auch ein Treffen der Wolhyniendeutschen statt.