Die Deutschen aus Mittelpolen

Mittelpolen bezeichnet keine eigenständige historische Landschaft. In Polen werden die Begriffe „Zentralpolen“ (Polska Centralna) und „Mittelpolen“ (Polska Środkowa) für die geographische Mitte des Landes benutzt.

In deutschsprachigen Veröffentlichungen erscheint der Begriff „Mittelpolen“ erstmals 1931 und bezeichnet das Gebiet des ehemaligen sogenannten „Kongresspolen“. Der Name „Kongresspolen“ geht zurück auf den Wiener Kongress von 1815. Dort schufen die europäischen Großmächte das Königreich Polen als Nachfolger des von Napoleon 1807 gegründeten Herzogtums Warschau. Polen war durch Personalunion mit dem russischen Zarenreich verbunden. Der russische Zar war zugleich König von Polen.  Im Jahre 1867 wurden das Amt des Vizekönigs und das Wappen des Königreichs Polen abgeschafft. Das in zehn Gouvernements aufgeteilte Gebiet wurde direkt ins Zarenreich eingegliedert.

Seit dem 18. Jahrhundert begann die Einwanderung in das Gebiet Mittelpolens durch deutsche Siedler. Im Dobriner Land an der Grenze zu Ostpreußen legten Gutsherren zwischen 1700 und 1780 Dörfer mit Siedlern aus dem benachbarten herzoglichen Preußen an. Zwischen 1820 und 1863 entstanden weitere Siedlungen.

Im Bereich der Kujawischen Seenplatte entstanden im 18. Jahrhundert ebenfalls deutsche Siedlungen und in der Stadt Dabie/Dąbie entstand Ende des Jahrhunderts eine Tuchmacherkolonie. Im Gebiet von Gostynin begann die bäuerliche Siedlung um 1780, zur selben Zeit findet man ländliche Kolonien in der Umgebung von Lodz, weitere entstanden nach 1795 in Südpreußen und nach 1807 im Herzogtum Warschau. Die „Schwabensiedung“ bei Warschau setzte um 1800 unter der südpreußischen Verwaltung ein.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde ein großer Teil der deutschen Land- und Kleinstadtbevölkerung ins Innere Russlands umgesiedelt. Der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit wurde verboten, deutsche Vereine und Privatschulen wurden aufgelöst. Am 2. Februar 1915 erließ die russische Regierung ein Liquidationsgesetz für die deutschen Kolonien in Kongresspolen.

Nach 1918 bildete der mittelpolnische Raum keine eigene politische Einheit mehr. 1921 wurde in Lodz der Bund der Deutschen Polens gegründet, der jedoch bereits 1924 wieder aufgelöst wurde. Als politische Vertretung der Deutschen in Polen entstand ebenfalls 1924 der Deutsche Volksverband in Polen (DVV).

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebiet zwischen dem Reichsgau Danzig-Westpreußen (Dobriner Land), dem Reichsgau Wartheland und dem Generalgouvernement geteilt. Gegen Kriegsende erfolgte der Evakuierungsbefehl für eine geordnete Evakuierung der Deutschen vor der heranrückenden Roten Armee zu spät. Die verbliebenen Deutschen wurden als „feindliche Elemente“ entrechtet, in Lagerhaft genommen und nach 1948 großenteils zwangsausgesiedelt.

Mittelpolen/Lodz
Karte der deutschen Siedlungen um Lodz im Jahre 1939 (CC BY-SA 3.0)